Zum Inhalt springen

ICH WILL ULI HOENESS ZURÜCK!

Von Alex Steudel

Gestern musste ich schlagartig an den letzten James-Bond-Film denken. Ziemlich am Anfang beklagt sich darin die Freundin von 007 darüber, dass James selbst bei harmlos erscheinenden Freizeitaktivitäten ständig über beide Schultern guckt und checkt, ob ihm nicht vielleicht gerade jemand an den Kragen will.

Denn Alltag eines Trainers beim FC Bayern stelle ich mir so ähnlich vor. Also heute. Denn das war nicht immer so. Aber seit Brazzo immer öfter.

Eigentlich dachte ich ja, härter als Uli Hoeneß könne es beim FC Bayern nicht mehr kommen. Der Mann feuerte gefühlt seine Trainer, wenn sie ihm nicht mehr passten und seinem Mia san Mia im Weg standen, und wenn es sein musste, später als Aufsichtsratsvorsitzender, feuerte er sogar via Talkshow (Louis van Gaal). Ja, Uli Hoeneß konnte sogar Bundestrainer, die noch nicht mal angefangen hatten, loswerden (Christoph Daum).

Doch dann kam Hasan „Brazzo“ Salihamidzic, der Mann der langen Messer.

Als Trainer muss man offenbar ständig in Habachtstellung sein, wenn der 46-Jährige in der Nähe ist, denn unter ihm lautet das Leitmotiv an der Säbener Straße folgendermaßen: Es gibt Hire, und es gibt Fire, und es gibt Brazzo.

Nur Fisch, der in der Mittagssonne liegt, hat eine geringere Haltbarkeit als ein Bayern-Trainer unter Salihamidzic.

Am 1. August 2017 fing Letzterer bei Bayern an, und das war nach Christian Nerlinger und Matthias Sammer der dritte Sportdirektor-Versuch, der Versuch also, den ewigen Uli Hoeneß zu beerben.

58 Tage danach war Bayern-Trainer Carlo Ancelotti weg. Niko Kovac durfte später etwas über ein Jahr vor sich hinwerkeln – zack, weg! Und Hansi Flick soll 2021 dermaßen genervt von der menschlichen Seite Salihamidzics gewesen sein, dass er freiwillig ging – trotz einer historischen Quadruplesiegsensationssaison.

Und nun hat es ziemlich überraschend Julian Nagelsmann erwischt. Dessen sportliche Bilanz sei nicht zufriedenstellend, sagte Brazzo.

Ich habe mal nachgesehen. Nagelsmann hat zwischen dem 18. September 2022 und heute zwei von allen 26 Spielen verloren und dabei in der Champions League alle gewonnen. Also alle-alle. Alle acht. Darunter zwei gegen den FC Barcelona, zwei gegen Inter Mailand, zwei gegen Paris Saint-Mbappé.

Peinlich!

Der Mann steht in der Liga auf Platz zwei und im Viertelfinale der Champions League. Das reicht leider nicht, nicht für Brazzo, der auch zwischenmenschliche Probleme zwischen Mannschaft und Nagelsmann als Begründung für die Entlassung angeführt hat, das muss man einfach betonen, weil es so fabelhaft klingt, wenn das einer sagt, der die Menschlichkeit beim FC Bayern 2017 auf Wiedervorlage gesetzt und nie wieder rausgeholt hat.

Streng genommen müsste jetzt übrigens auch Pep Guardiola bei Manchester City gefeuert werden, fällt mir gerade ein, weil der nämlich in England haargenau gleich dasteht wie Nagelsmann.

Ach nö, stimmt ja gar nicht, Peps Rückstand auf Platz eins ist in England viel größer als der des FC Bayern in der Bundesliga unter Nagelsmann.

Brazzo ist nun seit knapp sechs Jahren Sportdirektor oder Sportvorstand beim FC Bayern. Er hat die Champions League mitgewonnen, das muss man ihm zugute halten. Er ist auch eigentlich ein ganz netter Kerl, ich habe ihn kennengelernt, als er noch Bayern-Spieler war.

In der kurzen Jetzt-Zeit wurden aber unter ihm drei Trainer gefeuert und einer verjagt. Alle 500 Tage fuhr also ein Trainer zum letzten Mal in seinem Dienstwagen aus dem Parkhaus – mit Brazzos Schleifspuren an Heck und Haube.

Anders ausgedrückt: Das sind gerade mal anderthalb Jahre Amtszeit pro Trainer, seit Salihamidzic da ist. Kurz, kürzer, Brazzo.

Im Vergleich zu Hasan Salihamidzic war Uli Hoeneß ein Trainergewerkschaftsvorsitzender. Das ver.di unter den Managern. Hoeneß hat von 1979 an und bis Nerlinger kam, 30 Jahre lang offiziell den Fußball beim Rekordmeister verantwortet – so richtig rausgeschmissen hat er in der ganzen Zeit sieben Trainer (Csernai, Heynckes, Lerby, Ribbeck, Rehhagel, Magath, Klinsmann) – etwa alle 1500 Tage einen also, Übergangslösungen ausgenommen.

Das macht mehr als vier Jahre (statt Brazzos anderthalb) pro Übungsleiter.

Der Unterschied zwischen dem Mann, der 1985 eine Metzgerei gründete, und dem, der sich seit 2017 wie in einer aufführt: Wenn es kritisch wurde, hatte Hoeneß ab und an auch Gnade vor Gefecht gelten lassen und zum Beispiel Menschen (sic!) wie Giovanni Trapattoni und Ottmar Hitzfeld nur sanft gebeten, im Sommer in den Urlaub zu gehen und nicht mehr zurückzukommen. Das hatte deutlich mehr Stil als heute.

Dass Trainer heute austauschbar sind wie Energiesparlampen, ist natürlich nicht Brazzos Schuld. Aber er tut so, als gehöre das zu den Hauptaufgaben des Sportdirektors von heute.

Und ja, natürlich kann man Uli Hoeneß eine ganze Menge vorwerfen, das ist mir vollkommen klar. Nur stand unter ihm eben „B“ manchmal nicht nur für Bayern sondern auch für Barmherzigkeit, siehe oben. Die Zahl der Menschen, denen er half, nachdem sie in Schwierigkeiten geraten waren, lässt sich allenfalls schätzen.

Im März 2023 bedeutet das „B“ bei Bayern nur noch Business, also Erfolg um jeden Preis bei größtmöglichem Umsatz. Man liest es dieser Tage überall, in jedem Text, in jedem Post – die Leute sind entsetzt.

Mia san Gier. Schade eigentlich.

Zurück zur Startseite

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert